Andere Länder, andere Sitten. Eine Redewendung die immer mehr unseren Alltag prägt: Globalisierung, Austauschaufenthalte, Entsendung von Mitarbeitenden oder Flüchtlingsströme - wir werden heutzutage fast täglich mit kulturellen Unterschieden konfrontiert. Als 'Global Player' kommt man deshalb nicht darum herum, die interkulturelle Kommunikation zu fördern und als Standard festzulegen.

Ein Thema, das viele Unternehmen beschäftigt und für welches vermehrt professionelle Unterstützung in Anspruch genommen wird. Ich habe mit Linda Finkel, interkulturelle Trainerin, ein Interview geführt.

Wie kamst du dazu Trainings im Bereich der interkulturellen Kommunikation anzubieten?

Durch meinen Umzug nach Mexiko habe ich selber einen Kulturschock erlebt. Vor allem zu Beginn nahm ich erhebliche kulturelle Kontraste zwischen meiner und der mexikanischen Kultur wahr. Mein kultureller Anpassungsprozess dauerte lange und war manchmal anstrengend. Insbesondere deshalb, weil ich ohne jegliche interkulturelle Vorbereitung viele Regeln und Normen nicht verstand, was zu Frustration, aber auch zu einem reichen interkulturellen Erfahrungsschatz führte. Diese nicht ganz einfache Erfahrung hat mich dazu gebracht, anderen Menschen dabei zu helfen, dass sie sich in dieser Situation besser zurechtfinden.

Was genau ist interkulturelles Training und welches Ziel wird damit verfolgt?

Es geht um das Erlernen von Handlungskompetenz, Wissen und Einstellungen um mit Personen, die einen anderen kulturellen Hintergrund mitbringen, konstruktiv zu agieren. Kultur heisst jedoch weit mehr als nur die kulturellen Unterschiede zwischen zwei Ländern. Wir sprechen hier auch von Unternehmenskulturen, die zum Teil ganz unterschiedliche Wertvorstellungen haben. Ziel ist es, Handlungssicherheit zu gewinnen und souverän mit Menschen aus anderen Kulturen umgehen zu können.

Was steht bei deinen Trainings im Vordergrund?

Für mich stehen immer die Teilnehmenden im Vordergrund. Gemeinsam kreieren wir authentische Situationen und üben anhand von konkreten Praxisbeispielen. Sie lernen das Verhalten ihres Gegenübers besser einzuschätzen und können danach ihre Kommunikation und das eigene Verhalten besser danach ausrichten. Wir beschäftigen uns mit dem Umgang mit Macht, Nähe, Distanz oder Zeit.

Kannst du ein typisches Beispiel nennen?

Eines der besten Beispiele, das wohl jeder kennt, ist die Pünktlichkeit. In der Schweiz ist Pünktlichkeit eine Tugend und wird vorausgesetzt, in anderen Kulturen gilt das Erscheinen zur abgemachten Zeit als eher unhöflich oder aufdringlich. Abmachungen sind nicht für alle gleich verbindlich und unter Teamarbeit versteht der Chinese etwas anderes als der Italiener. Dies zeigt, dass Kulturstandards und Keywords innerhalb von zwei Gruppen komplett anders interpretiert werden können.

Wie läuft ein solches Training ab?

Ganz zu Beginn steht immer meine eigene Vorbereitung. Ich versuche von der Unternehmung möglichst viele Informationen einzuholen, um ein Bild über die Gruppe und deren Zusammensetzung zu erhalten. Für mich ist es wichtig zu wissen, ob sie bereits Auslandserfahrung gesammelt haben und ob sie verschiedene kulturelle Hintergründe mitbringen. Anhand dieser Standortbestimmung lege ich meine Trainingsinhalte und Methoden fest, damit ich optimal auf die Teilnehmenden eingehen kann. Die Trainings finden in Gruppen, mit Personen aus der gleichen Unternehmung statt und dauern ein bis zwei Tage.

Welche Bedeutung hat interkulturelles Training in der heutigen Zeit?

Die Wichtigkeit wird in Zukunft stark zunehmen, da Kulturen immer häufiger aufeinandertreffen. Hinzu kommt die virtuelle Zusammenarbeit, die bereits nicht mehr wegzudenken ist. Interkulturelle Aspekte sind vielseitig und heutzutage fast täglich anzutreffen: Menschen reisen mehr, Geschäfte werden oft global abgewickelt oder beispielsweise ganz aktuell, wir nehmen Flüchtlinge auf. In diesem Bereich werden Trainings für Institutionen angeboten, wie z.B. Migrationsämter oder Asylzentren, die mit Flüchtlingen zusammenarbeiten.

Aus Sicht eines HR Managers, wann ist ein solches Training sinnvoll? Wer soll daran teilnehmen?

Sobald ein Mitarbeiter in Kontakt mit anderen Kulturstandards kommt. Beispielsweise bei einer Entsendung der Mitarbeiter an ausländische Standorte, bei der Anstellung von Personen aus anderen Kulturkreisen, bei multikulturellen Teams oder bei Mitarbeitenden, die Kunden im Ausland betreuen. Es werden Trainings für alle Stufen vom Shop Floor zum Top Management angeboten und je nach Bedarf der Gruppe angepasst. Eine Bereitschaft zur Reflexion ist auf jeden Fall ein wichtiger Aspekt. Die Teilnehmenden sollten bereit sein auch ihr eigenes Verhalten unter die Lupe zu nehmen.

Was ist der Mehrwert für die Teilnehmenden?

Sie gewinnen Sicherheit in der Interaktion mit anderen Kulturen. Das Verständnis für fremde Verhaltensregeln kann bei so mancher Vertragsverhandlung oder in der Zusammenarbeit mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten hilfreich sein. Die Teilnehmenden sollen mithilfe des interkulturellen Trainings Unsicherheiten gegenüber Fremden und ihrem uns ungewohnten Verhalten abbauen.

Etwas provokativ gefragt - stellt sich die interkulturelle Handlungskompetenz nicht automatisch ein, sozusagen learning by doing?

Nein, im Gegenteil. In der heutigen Zeit von Social Media bekommen wir zwar sehr viel mit von anderen Kulturen, dies sind jedoch nur kleine Fragmente, oftmals in Form eines kurzen Satzes oder eines Fotos. Die Kultur wird dabei nicht komplett wiedergegeben und es entsteht ein falsches Bild.

Zudem haben wir die Tendenz Fremdartiges auf Basis unseres eigenen Regelsystems zu bewerten. Der kulturelle Hintergrund des jeweils anderen wird dabei nicht berücksichtigt. Sein Verhalten, seine Arbeitsweise, seine Art zu Verhandeln werden aus der eigenen Perspektive heraus betrachtet und beurteilt. Im interkulturellen Training arbeiten wir auch an der eigenen Akzeptanz und hinterfragen unsere Wahrnehmung von uns selber, wie auch unsere Fremdwahrnehmung.

Welche interkulturellen Missverständnisse sind dir bisher persönlich widerfahren?

Als interkulturelle Trainerin sieht man überall Missverständnisse und unterschiedliche Verständnisse. Wo ich aber immer wieder grosse Unterschiede zwischen meiner und der mexikanischen Kultur feststelle, ist in der Kommunikation. Hier wird direktes Feedback vermieden, insbesondere wenn es negativ ist. Wenn ich beispielsweise in einem Kurs um Feedback bitte, dann herrscht grosse Stille. Es gilt als unhöflich, andere vor einer Gruppe zu “kritisieren”. Denn Feedback, auch wenn es noch so konstruktiv ist, wird häufig sehr persönlich aufgenommen. In der Schweiz ist die Kommunikation viel direkter, Feedback wird da erwartet und als eher etwas Objektives angesehen.  

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